Je näher wir den Klippen kommen, umso lauter wird das Rufen, Schreien und Kreischen. Als wir auf der ersten Aussichtsplattform ankommen, sehen wir sie: Tausende von Seevögeln, die an den schmalen Felsvorsprüngen kleben, im Wasser dümpeln und waghalsige Flugmanöver starten, um Fische zu fangen und sie zurück an die Felsen zu ihren gefiederten Genossen zu bringen. Wir befinden uns an den Bempton Cliffs an der nordenglischen Küste in Yorkshire – ein absoluter Geheimtipp für alle Vogelfreunde.
Jedes Jahr zwischen März und Oktober ist an den Klippen die Hölle los: Basstölpel, Lummen, Dreizehenmöwen, Silbermöwen, Eissturmvögel, Tordalke, Kormorane und Papageitaucher finden sich im Laufe der Monate ein, um an der über sechs Kilometer langen Steilküste zwischen Filey and Flamborough Head zu brüten. Bis zu einer halben Million Seevögel sammeln sich jedes Jahr an den Bempton Cliffs.
Auf der Suche nach den Papageitauchern
Wir waren vor allem wegen der Papageitaucher in die Stadt Bridlington gefahren, zehn Fahrminuten von Bempton entfernt. Nach unserer bisher einzigen Papageitaucher-Sichtung in Island wollte ich die putzigen Tierchen unbedingt noch einmal sehen. Als wir am Besuchercenter des RSPB (Royal Society for the Protection of Birds, zu deutsch: Königliche Gesellschaft für Vogelschutz) direkt an den Klippen ankommen, regnet es schon den ganzen Tag in Strömen. Ein Mitarbeiter erklärt uns, dass den Vögeln das Wetter völlig egal ist – heute seien sogar schon ein paar Papageitaucher gesichtet worden. Wir entscheiden uns, erst einmal in unser Hotel in Bridlington zu fahren und später nochmal wiederzukommen, wenn sich der Regen vielleicht etwas gelegt haben würde.
Gegen 17 Uhr sieht es in Bridlington ganz gut aus. Auf dem Weg zu den Bempton Cliffs wird jedoch klar: Das wird heute wohl nichts mehr mit dem Birdwatching, denn dichter Nebel zieht auf, je mehr wir uns dem Meer nähern. Trotzdem parken wir unser Auto am Besuchercenter, packen uns mit Schal und Mütze in unsere Regenjacken ein und stapfen tapfer die fünf Minuten zur ersten Aussichtsplattform. Der Nebel versprüht winzige Tropfen, unsere Brillen beschlagen, die Kameras holen wir gar nicht erst raus. Die Vögel an den Klippen sind zu hören, aber kaum zu sehen. Die Sicht ist einfach zu schlecht. Schade …
Zweiter Versuch an den Bempton Cliffs
Am nächsten Morgen der nächste Versuch: Es ist trocken, aber bewölkt und immer noch kalt. Das RSPB-Center hat schon geöffnet, wir bezahlen unseren Eintritt von 5 Pfund pro Person und machen uns gespannt auf den Weg. Sechs Aussichtsplattformen stehen zur Auswahl, zwei von ihnen an asphaltierten Wegen, die anderen vier sind über Wanderwege durch die Wiesen zu erreichen. Durch den vielen Regen am Vortag rutschen wir mehr über die matschigen Pfade als dass wir laufen, um zu den entfernteren Plattformen zu gelangen. Doch die Schlitterpartie lohnt sich: In den Klippen kauern sich Kolonien von Lummen eng aneinander. Basstölpel ziehen elegant ihre Runden über das Meer. Möwen verjagen kreischend die Dohlen, die sich zu nah an ihre Schlafplätze heranwagen. Eissturmvögel zeigen waghalsige Manöver beim Anflug an die Felsen. Die Einzigen, die fehlen, sind die Papageitaucher.
Eine Woche zuvor waren bereits mehrere Dutzend gesichtet worden. Doch als Ende März noch einmal der Schnee in Yorkshire Einzug hielt, haben es die Papageitaucher offenbar vorgezogen, wieder aufs wärmere Meer hinauszufliegen. Drei Stunden lang laufen wir an den Klippen entlang und halten Ausschau nach den lustigen Vögeln mit ihren bunten Schnäbeln, die im Anflug aussehen wie aufgezogene Spielzeugtiere. Leider vergebens. Auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die an jedem Aussichtspunkt stehen und bei der Erforschung der Seevögelkolonien helfen, können trotz ihrer starken Ferngläser keine Papageitaucher sichten.
Entschädigt werden wir durch viele tolle Fotomotive der anderen Seevögel. Vor allem die Basstölpel haben es mir angetan. Am besten sind sie auf der Aussichtplattform ganz rechts vom Besuchercenter zu beobachten, denn dort ragt ein Felsbogen weit ins Meer hinaus, auf dem sich die Vögel versammeln. Es herrscht dort ein ständiges Kommen und Gehen: Landet ein Tölpel, reibt er sich mit einem anderem zum Gruß den Schnabel. Manchmal gibt es auch Streit um die besten Sitzplätze. Mit über hundert Fotos in der Tasche treten wir den Heimweg an. Am nächsten Tag dann die Meldung auf der Facebook-Seite des RSPB Bempton Cliffs: Die Papageitaucher sind wieder da! Tja, so ist das halt mit den wilden Tieren:
Sie machen nie das, was du von ihnen erwartest …
Wenn du wissen willst, was du im Frühjahr sonst noch an der Küste von Yorkshire unternehmen kannst, schau doch mal beim Blog „In der Nähe bleiben“ vorbei. Dort gibt es einen aktuellen Beitrag mit Tipps für die Yorkshire Coast.
Hast du noch weitere Tipps für gute Vogelspots? Als große Vogelfreundin freue ich mich auf deinen Kommentar!
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Veröffentlicht am: 7. April 2018
Liebe Sabine,
das ist ja ein Ding – da waren also zur etwa gleichen Zeit in Yorkshire. Papageientaucher habe ich zu meinem großen Kummer auch nicht gesehen (die sind einfach nie da, wo ich bin). Besonders gut gefällt mir Dein Gruppenfoto von den Basstölpeln. Ich liebe diese wunderschön gezeichneten Vögel. Man kann sie übrigens prima auf Helgoland beobachten. Ab und zu sind dort angeblich auch schon Papageientaucher gesichtet worden. Doch die Wahrscheinlichkeit ist miniklein (dafür liegt die Chance, Robben über Robben über Robben aus allernächster Nähe zu erleben, bei etwa 100%. Aber das ist ein anderes Thema/Tier.) Vielen Dank für die Verlinkung! Und liebe Grüße, Stefanie
Liebe Stefanie, Ihr wart auch an den Bempton Cliffs? Wann denn? Wir waren am Dienstag nach Ostern dort – nach der Kältewelle …
Wir waren in der Woche vor Ostern in Flamborough Head. Das war wohl auch vor der Kältewelle (an 4 von 5 Tagen wirklich schönes Wetter). Aber die Puffins hatten trotzdem irgendwas auszusetzen…
Irgendwas ist immer :-D
Wie cool!
Die Tölpel erinnern mich an die Tölpelkolonie auf Cape Kidnappers in Neuseeland. Die fand ich so toll!
Und was die Wildtiersichtungen betrifft, geht es uns auch meistens so, dass wir Pech haben. Die Brüllaffen verstummen, die Wale zeigen sich nur am Horizont und die Aras verstecken sich vor dem kreisenden Raubvogel.
Liebe Grüße Gina
Hahaha, dann bin ich ja mit meinem Pech nicht allein :-) Bei den Aras im Regenwald hat es auch nicht geklappt: https://www.ferngeweht.de/auf-der-suche-nach-den-aras/